6. Kombinatorik

Leitfragen

Das Urnenmodell erleichtert häufig die Berechnung von Wahrscheinlichkeitsfunktionen. In einer Urne liegen nummerierte Kugeln und werden gezogen. Nach jedem Zug legt man entweder zurück oder nicht, und die gezogenen Kugeln werden entweder angeordnet oder nicht. Fertige Formeln für |Ω| bei Ziehung von n Kugeln aus N:

mit Rücklegen ohne Rücklegen

angeordnet


I Nn

II (N)n

nicht angeordnet


IV ( n+ N-1 n )

III ( N n)

mit (N)n = N(N-1)⋅⋅⋅(N-n+ 1) = N!(N-n)! und dem Binomialkoeffizienten (das ist einfach eine Größe, die immer wieder auftaucht und drum abgekürzt wird)

(   )
  N
      =  N !∕n! (N - n )!.
  n

Wo kommen diese Formeln her?

In Reihenfolge mit Rücklegen: Wir ziehen n Mal, und auf jedem Platz gibt es N Möglichkeiten.

In Reihenfolge ohne Rücklegen: Wir ziehen n Mal; beim ersten Mal haben wir N Möglichkeiten, beim zweiten Mal noch N-1 usf., bis ich n Kugeln gezogen habe. Bei der letzten Ziehung habe ich also N-n+ 1 Möglichkeiten. – Spezialfall dazu: n= N, |ΩII |= N!. Das ist gerade die Zahl der Permutationen (also der verschiedenen Anordnungen) von N verschiedenen Dingen.

Ohne Reihenfolge ohne Rücklegen: Das ist praktisch ΩII, nur zählen alle verschiedenen Anordnungen der gleichen Zahlen als ein Element. Jede dieser Anordnungen kommt n!-mal vor, also |ΩIII|= |ΩII|∕n!.

Ohne Reihenfolge mit Rücklegen: Im Prinzip würde es reichen, alle Elemente von ΩI zu nehmen, und die mit identischen Elementen miteinander zu identifizieren. Die einfache Division durch die Größe einer solchen Äquivalenzklasse wie bei der Ableitung von |ΩIII| aus ΩII geht hier nicht, da z.B. {0,0} nur aus (0,0) kommt, während {0,1} sowohl aus (0,1) also auch aus (1,0) entsteht – die Klassen sind nicht alle gleich groß.

Deshalb Trick: Unser Versuchsergebnis stellen wir dar als eine Folge von n Einsen und N Nullen. Vor der i-ten Null steht für jede Ziehung der Kugel i je eine Eins. Die Stichprobe ” Zwei Mal nullte Kugel, Null Mal erste Kugel, Ein Mal zweite Kugel“ würde also zu 110010. Umwandlung in Urnenmodell: Wir ziehen die Positionen der Einsen aus einer Urne mit N+ n-1 Kugeln (die letzte Stelle darf keine Eins sein) ohne Zurücklegen und ohne Ordnung; das ist ΩIII, also ist |ΩIV |= (N+n-1 n ) .

Beispiel: Ziehen mit und ohne Rücklegen mit Reihenfolge 3 aus 4:

In der Zeile mit Kg steht dabei die jeweils gezogene Kugel, darunter die Kugeln, die noch gezogen werden können – mit Zurücklegen hat man immer vier Möglichkeiten, ohne Zurücklegen hat man immer weniger Auswahl. Wenn man das ein wenig formalisiert, kommt man auf die oben angegebenen Formeln.

Alternative Interpretation: Verteilung von Murmeln auf Plätze, die Nummer der gezogenen Kugel ist die Nummer des Platzes. Kann ein Platz mehrfach besetzt werden, ist ein Experiment mit Zurücklegen nötig, sind die Murmeln ununterscheidbar, spielt die Reihenfolge der Züge offenbar keine Rolle.

Übungen zu diesem Abschnitt

Ihr solltet euch wenigstens an den rötlich unterlegten Aufgaben versuchen

(1)

Überlegt euch, welche Modelle anwendbar sind für

(a) Zahl der Wörter mit Länge nüber einem Alphabet der Länge m.

(b) Zahl der Wörter, die aus einer bestimmten Folge von Buchstaben zu bilden sind (die Zahl der Anagramme).

Denkt euch weitere Probleme dieser Art aus.

(2)

Wie viele mögliche Partitionen von N Gegenständen auf n Container gibt es? Diese Frage stellt sich beispielsweise, wenn ihr N Dateien habt, die ihr auf n CDs so verteilen wollt, dass der ” Verschnitt“, also der Platz, der ungenutzt bleibt, minimal ist (dabei ist n natürlich variabel, aber das ist noch eine andere Frage).

(3)

Die Fakultät ist eine sehr schnell wachsende Funktion – und das hat durchaus konkrete Folgen. Nehmt an, ihr hättet eine Folge von Objekten und wolltet eine zufällige Permutation davon ziehen. Nehmt weiter an, ihr hättet eine Funktion, die eine ganze Zahl zwischen 0 und n! -1 auf eine dieser Permutationen abbildet und wolltet ” zufällig“ eine davon ziehen, indem ihr einen Zufallszahlengenerator eine Zahl ausspucken lasst.

Übliche Zufallszahlengeneratoren geben 32-bit-Zahlen zurück, also Zahlen zwischen 0 und (wenn sie nicht vorzeichenbehaftete Zahlen zurückgeben) 232 = 4294967296. Bis zu welchem n deckt ihr mit solchen Zufallszahlen alle möglichen Permutationen ab? Welchen Anteil von Permutationen deckt ihr bei n= 20 ab, welchen bei n= 100? Fallen euch Auswege aus diesem Problem ein?


Markus Demleitner

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